Was geht, machen wir selbst

In den „Familia Sozialeinrichtungen“ gestalten die Klienten Adventskränze mit Liebe zum Detail, aus natürlichen Materialien und nach individuellen Wünschen

von Lorenz Trapp

Gleich hinter der stets offenen Eingangstür befindet sich die Advents-Werkstatt. Wer das Haus am Schwarzbach mit dem Schild „Familia Sozialeinrichtungen“ in diesen Tagen betritt, wird sofort umhüllt von vorweihnachtlichen Düften. Und zwar von den klassischen: Es riecht nach Kiefer, Fichte und Tanne, nach Sägemehl und Kerzenlicht. „Wir fertigen Kränze aus natürlichen Materialien“, erklärt Thea Doppler, „da spürt man endlich wieder, was eine Fichte und eine Tanne eigentlich sind“. Ein Klient schneidet dünne Scheiben von einem Ast – mit der sogenannten „Japansäge“. Diese Nokogiri arbeitet auf Zug und erlaubt besonders feine Schnitte bei dosiertem Krafteinsatz. Ein weiterer Klient bohrt Löcher in die Scheiben, dann wird noch ein Nagel darin befestigt. Stolz zeigt Thea Doppler eine Scheibe: „Das werden unsere Kerzenständer für die Adventskränze!“

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Eibe, Buchs, Kiefern- und Tannenzweige, Efeu liegt in Kisten und auf den Tischen bereit. Gearbeitet wird mit frischem Material, und Thea Doppler sendet gleich ein Danke an alle Spender, die regelmäßig für Nachschub sorgen. Bis zum 17. Dezember gibt es im kleinen Laden am Schwarzbach aber nicht nur Adventskränze, sondern dazu Gestecke und Weihnachtsschmuck – selbstverständlich auch nach individuellen Kundenwünschen gestaltet, jede Größe und Ausgestaltung ist möglich. Und die Klienten sind mit Freude dabei. Jeder macht das, was er am besten kann. „Wir setzen jeden nach seinen Interessen und Ressourcen ein“, sagt Thea Doppler, „wir nehmen den Menschen, wie er ist“. Eine große Aufgabe der Betreuer ist, zu erkennen, wer wo wie belastbar und einsetzbar ist.

Das Prinzip heißt Hilfe zur Selbsthilfe
Thea Doppler leitet die Kreativ-Werkstatt bei Familia. Da wird auch „gefilzt“, genäht, gemalt – Handarbeiten, die auf gar keinen Fall „alt und angestaubt“ daher kommen. Seit 20 Jahren ist die Heilerziehungspflegerin im sozialen Bereich tätig, und sie hat die „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu ihrem Prinzip erkoren. Die Klienten bei Familia nennt sie lieber Besucher: „In die Tagesstätte kann jeder kommen, auch ohne Diagnose, ohne ärztliches Attest und anonym, und schon mancher hat hier so viel mitgenommen, dass er nicht mehr von Arzt zu Klinik und umgekehrt laufen musste“.

Seit mehr als 15 Jahren gibt es die „Familia Sozialeinrichtungen gGmbH“. Die Einrichtung hat sich zur Aufgabe gemacht, in der für alle offenen Tagesstätte am Schwarzbach und in den vier therapeutischen Wohngemeinschaften Menschen mit seelischen und psychischen Beeinträchtigungen zu helfen. Im Vordergrund stehen dabei Lösungsstrategien, die die Alltagsbewältigung auf Dauer erleichtern sollen. Das Angebot der Tagesstätte richtet sich an erwachsene Menschen, die sich selbst als psychisch beeinträchtigt empfinden oder eine chronische psychische Erkrankung haben. Ziel sowohl von Tagesstätte als auch Wohngemeinschaften ist die Verbesserung der Lebensqualität und die Vermeidung bzw. Verkürzung von Klinikaufenthalten. Zudem sind die Förderung und Erhaltung bestehender Fähigkeiten und Fertigkeiten der Klienten ein wichtiger Aspekt, dem das vielseitige und optimal organisierte Angebot Rechnung trägt. „Wir versuchen immer, auf die individuelle Situation zu reagieren“, erläutert Irina Schmidl, „eine Herausforderung, sicher, aber wir kriegen das hin!“
Irina Schmidl ist Sozialpädagogin. Sie arbeitet in der Leitung von Familia. „Die Werkstatt ist ja nur ein Teil der Tagesstätte. Hier können unsere Besucher den Tag gestalten und im Bistro Kontakte knüpfen – gerade für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ist dieser geschützte Raum, unter Gleichen sozusagen, extrem wichtig“. Jeder kann vom vielfältigen Angebot nutzen, was ihm nach Interesse und Belastbarkeit zusagt. Und Möglichkeiten gibt es einige: Italienisch-Kurse zum Beispiel, therapeutisches Tanzen, Musikunterricht.

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Dazu kommen die Möglichkeiten in der Arbeitstherapie, wo sich die Besucher sogar etwas dazuverdienen können. Äußerst begehrt ist das Projekt Küche: In der Tagesstätte gibt es täglich ein frisch zubereitetes Mittagessen, und Monika Kaiser, die dafür zuständig ist, hat da stets kreative Unterstützung von begeisterten Klienten, die nicht nur ihren Senf, sondern ihr Fingerspitzengefühl und ihre gesammelten Kochkünste dazu beisteuern! Die Speisekarte braucht sich also vor keinem Restaurant zu verstecken – und das sagt nicht nur Monika Kaiser! Selbstverständlich kümmern sich die Klienten auch um Einkauf und Speiseplan – ein großer Schritt auf dem Weg zurück in die „erste Welt“, in die normale Arbeitswelt.

Schleifen und Kerzen individuell aussuchen
In die gleiche Richtung zielt auch das Projekt Autoreinigung: Im Angebot ist gerade eine professionelle Autoinnen- und -außenreinigung mit allem Drum und Dran (Info und Auftragsannahme: Tel. 0 84 41 / 4 08 19 25). Das Geld, das über diese Projekte, ebenso wie aus dem Adventsmarkt, eingenommen wird, fließt natürlich zurück in die Projekte oder kommt den Klienten in Form eines gemeinsamen Ausflugs zu Gute.

Zurück in die Kreativwerkstatt! Hier wird nämlich auch für die „Kleine Landesgartenschau 2017“ geplant: Familia, Klienten und Betreuer werden dafür auf dem Gelände des „InterKulturGartens“ einen kleinen Teilbereich gestalten. Das Ziel ist eine begehbare (auch mit Rollstühlen befahrbare) „Kräuterspirale“. Das Fundament für das Projekt ist bereits gelegt, denn nach dem Sommerhochwasser wurden vom Schwarzbach unzählige Steine angeschwemmt, die die fleißigen Hände der Tagesstätte aus dem Wasser bargen – und fast alle im begehrten „Reichsformat“.
Im Moment jedoch stehen die Adventskränze, stehen die weihnachtlichen Kreationen ganz oben auf der To-do-Liste. Die Mitarbeiter von Familia haben sich extra einen Stand auf dem Wochenmarkt organisiert, an dem sie ihre Produkte anbieten. Doch wer sich seinen Adventskranz wirklich ganz individuell gestalten lassen will, der sollte am Schwarzbach, in der Adventswerkstatt, persönlich vorbeischauen. Denn was gibt es Schöneres, als selbst auszusuchen, welche Materialien, welche Schleife, welche Kerzen den Adventskranz zieren sollen? Oder einer Japansäge beim Arbeiten zuzusehen?
Und wie gesagt: Die Tür bei den Familia Sozialeinrichtungen am Schwarzbach ist immer offen.

Familia Sozialeinrichtungen • Schwarzbach 1 • Tel. 0 84 41 / 80 56 36 • www.familia-sozialeinrichtungen.de

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