Ein roter Hai vorm Gartenteich

von Lorenz Trapp

Was haben Buddha und ein roter Hai gemeinsam? Die Antwort ist recht einfach: den Kreileder und eine Treppe. Die Stufen, schwere Pflastersteine, liegen auf der Sichtachse, die, wenn der Wanderer zwischen den Werken den hölzernen Hai verlässt, direkt auf den Buddha weist. Erhaben, zerbrochen zwar, aber präsent, mit Eisenstäben, die wie Rippen den in Beton gegossenen Rumpf mit Kopf und Schulter verbinden, thront er erhaben am Ende der Treppe und wartet gelassen auf den Besucher. Als würde der Hai im Gras noch einmal zum Abschied mit der Schwanzflosse zärtlich in den Teich klatschen, springt einem der verrostete Motor einer ausrangierten Flex ins Auge, der den obligatorischen Haarschopf des asiatischen Gelehrten ersetzt, das Zeichen seiner Weisheit.

Ruhe und Gelassenheit, erklärt Alexander Kreileder, seien nicht nur in seinen Skulpturen, sondern auch in seinen Bildern ein stetes Thema. Dieses „Ruhen in sich selbst“ erscheint ihm als Ziel, bewundernswert, weil so schwer zu erreichen, und doch: Obwohl Alexander Kreileder bisweilen ein bisschen rastlos wirkt, wenn er die Geschichten zu seinen Werken erzählt, umgarnt den Zuhörer ein seltsames Gefühl der Beruhigung, als würden die tausend wirren Fäden, die der Künstler durch sein Oeuvre ziehen lässt, sich verweben zu einer Hängematte aus innerer Gelassenheit und Klarsicht.

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Mit der Kunst kam Alexander Kreileder – wie selbstverständlich bei einem Vater, der als Kunstlehrer tätig war – schon sehr früh. Bereits als Kind, berichtet er mit ironischem Unterton, habe er bei einem Malwettbewerb im „Panorama“, dem damaligen Supermarkt an der Fraunhoferstraße, ein Fahrrad gewonnen. Bleistiftzeichnungen standen am Beginn, doch damit „bist du zweiter Sieger“, insbesondere, wenn man bei größeren Formaten einsteigen und anfangen will zu malen. Und er wollte. Nach der Ausbildung an der Fachoberschule für Gestaltung mit den Schwerpunkten Kunstgeschichte und Malerei entstanden „mit reduzierter Farbpalette“ die ersten Bilder, reduziert in den Farben einfach deswegen, weil er das so mag. Wie sein Vorbild Caravaggio, der italienische Barockmaler, arbeitet er deshalb verstärkt mit Licht und Schatten, eine Technik, die vor dunklem Hintergrund ein hohes Maß an plastischer Wirkung erzielt.

Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind Portraits, und zwar auch solche, „in denen man sich wiedererkennt“. Für den Künstler bilden sie einen Spiegel der Seele des Portraitierten, und das sei das Faszinierende: Man könne jemanden mehrmals portraitieren, jedes Portrait werde anders, und dennoch zeige es stets denselben Menschen. Abstrakte Portraits nennt er diejenigen seiner Bilder, auf denen aus der Nähe nichts Konkretes erkennbar ist; erst wenn der Betrachter sich vom Bild entferne – räumlich natürlich –, eröffnet sich ihm das Bild als Portrait. Zwar male er auch Akt, doch sei dies – künstlerisch – nicht so interessant: „Meine Bilder haben einen politischen und sozialkritischen Bezug“, sagt Alexander Kreileder, „was ich in der Kunst mache, ist im Prinzip vergleichbar dem, was ein Kabarettist auf der Bühne bringt“.

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Und: Seine Werke tragen Namen – keine Sinn heuchelnde Identitätslosigkeit! Ein Gemälde „Ohne Titel; 2012“ käme für ihn nie in Frage. Denn zu jedem Bild und zu jeder Skulptur gebe es eine Geschichte. Dass er überhaupt Skulpturen macht, resultiert übrigens aus dem Ersatzdienst, den er beim Technischen Hilfswerk absolviert hat. Dort bekam er eine Ausbildung an der Motorsäge und stellte fest, wie perfekt und millimetergenau er mit diesem Gerät schneiden kann. „Ich habe sofort gewusst, dass mir das liegt“, und als er in dieser Zeit dann auch noch Freunde in Afrika besuchte, kam er intensiv mit afrikanischer Kunst in Berührung, eine prägende Begegnung, die in vielen seiner Holzskulpturen einen Ausdruck findet, ebenso wie der Einfluss aus der Kultur der nordamerikanischen Indianer.

„In Afrika lernte ich, was Kreativität ist“, fasst Alexander Kreileder zusammen, „die verarbeiten alles, Holz, Muscheln, Metall, Dosen, alles, was sie finden, wird sozusagen in die Kunst recycelt!“ An einer Landstraße habe er bei einem afrikanischen Künstler eine Skulptur entdeckt, die aussah, als sei sie ein Werk des berühmten Bildhauers Henry Moore: „Und der Mann hat von Moore nicht mal den Namen gekannt!“ Obwohl die meisten dort wohl unter Hartz-IV-Niveau leben, habe er noch nie so viele glückliche Menschen gesehen wie in Afrika, erinnert er sich und schlägt eine Brücke zurück in die Heimat: „Wir aber gehen mit unseren Ressourcen viel zu großzügig um!“

Einige der Skulpturen Alexander Kreileders bestehen aus Eisenschrott. „Der Sextant“ ist ein zerbrochenes Maschinenteil; „Das Rundummadum“, ein defekter, bei Null stehengebliebener Druckmesser, auf einen drehbaren Sockel montiert, symbolisiere die Finanzkrise, die wohl noch lange nicht ausgestanden sei, und in den Teich blickt eine rostige Skulptur, die aussieht, als könne sie sich zwischen Reinspringen und Davonlaufen nicht entscheiden. Alexander Kreileder hat einen Bick entwickelt für die Spannungsfelder des Lebens, der sich auch in den Gemälden zeigt: „Yes we can“, der Schnitter Tod vor amerikanisierter Flagge, entstand nach dem Erlass jenes absurden Gesetzes, das Amerikaner gestattet, überall auf der Welt bei bloßem Terrorverdacht Menschen zu verhaften und festzusetzen. Beeindruckend klar und scharf präsentiert sich „Die apokalyptische Klospülung“ aus der Serie „Tagebuch eines Wahnsinnigen“, und „Bird“ ist eine Hommage an Charlie Parker, dessen Musik Alexander Kreileder bei der Arbeit gerne hört: „Musik“, findet er, „verändert die Atmosphäre des Ateliers“.

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Alexander Kreileder: Maler und Bildhauer

Draußen im Garten ruht in sich „Der Schamane“, eine Holzskulptur mit dem dritten Auge für Zukunft und Parallelwelten. Neben ihm steht „Der Christkönig“. Er versinnbildlicht die Universalität des Chris-tentums aus der Vergangenheit: „Auf allen Kontinenten vorhanden, ob freiwillig oder nicht“. Am Gartentor schließlich verabschiedet mich „Der König“, eine überdimensionale Schachfigur, gedrungen, im Schoss einen roten Reichsapfel mit Kreuz, in die Gegenwart. „Der Reichsapfel soll früher auf dem Kirchturm gewesen sein“, sinniert Alexander Kreileder, streicht dem König lächelnd über die hölzerne Krone und fügt hinzu: „Wenn’s stimmt“. Vielleicht weiß es ja der rote Hai.

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