„Demenz – Vergiss mich nicht!“

von Hellmuth Inderwies

Es ist gerade einmal drei Jahre her, als Helga Inderwies und Gilla Hofmeir den Plan fassten, eine Alzheimer Gesellschaft im Landkreis Pfaffenhofen zu gründen. Sie hatten sich zuvor einer eingehenden Schulung zum Thema „Demenz“ bei Prof. Dr. Sabine Engel, Universität Erlangen, die zu den führenden Wissenschaftlern Deutschlands auf diesem Gebiet gehört, unterzogen. Nach einer Reihe von Veranstaltungen, die sie zu dem von dieser Expertin erarbeiteten und empirisch erprobten Projekt „EduKation Demenz“, einem Programm zur Beratung der Angehörigen von Demenzkranken, durchgeführt hatten, waren sie von der Dringlichkeit einer solchen Initiative in unserer Region überzeugt.

Denn von knapp 120.000 Einwohnern im Landkreis waren damals rund 1500 von diesem Siechtum des Gehirns betroffen. Darüber hinaus war und ist bis heute wohl eine nicht unerhebliche Dunkelziffer zu vermuten, zumal man nicht gerne eingesteht, dass dies in der eigenen Familie der Fall sein könnte. Bei weitem der größte Teil der Erkrankten wird in häuslicher Pflege betreut. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl auf über 2200 ansteigen. Weltweit leiden zurzeit 46 Millionen Menschen an einer Demenz. Bis 2050 werden es voraussichtlich bereits 131,5 Millionen sein. Deutschland befindet sich gegenwärtig mit 1,5 Millionen nach China, den USA, Indien, Japan und vor allem auch den afrikanischen Ländern südlich der Sahara auf einem der vorderen Plätze. Jährlich kommen hierzulande etwa 300.000 (pro Tag über 800) hinzu. Da auf Grund längerer Lebenserwartung weit mehr Neuerkrankungen als Sterbefälle auftreten, wird sich die Zahl der Demenzkranken in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf etwa 3 Millionen erhöhen, wenn der Medizin zwischenzeitlich kein Durchbruch in Prävention und Behandlung gelingt.

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Bei der Einweihung im neuen BRK-Gebäude: die beiden Vorsitzenden Helga Inderwies (re.) und Martina Bürkner

Ein kontinuierlicher Abbau geistiger Fähigkeiten
„Demenz“ ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Erkrankungen des Gehirns, wobei mit etwa Zweidrittel der Fälle der Typ der „Alzheimer-Demenz“ am häufigsten auftritt. Er ist nach dem deutschen Neurologen Prof. Dr. Alois Alzheimer (1864 – 1915) benannt, der als Erster Art und Verlauf beschrieb. Ein kontinuierlicher Abbau geistiger Fähigkeiten schwächt Gedächtnis, Denk- und Urteilsvermögen, verhindert in immer höherem Maße die Aufnahme von Informationen mündlicher wie schriftlicher Form, setzt die Kontrolle eigenen Verhaltens, auch physischer Art, außer Kraft und führt nicht selten zu gänzlicher Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit. Sprachstörung und Sprachverlust gehen damit einher. Aber auch die Psyche, die emotionale Veranlagung, verändert sich. Oft treten schwere Depressionen auf, die Regulierung von Stimmungen und Gefühlen nimmt in solchem Maße ab, dass sich sogar nahe Angehörige das Verhalten des Kranken nicht mehr erklären können.

Diese Krankheitssymptome freilich treten bei den verschiedenen Formen der Demenz auch in sehr unterschiedlicher Weise auf. Die Ursachen hierfür sind eine fortschreitende Schädigung der Nervenzellen und der Nervenzellkontakte eines über das Normalmaß hinausgehenden schrumpfenden Gehirns, was letztendlich dessen totale Funktionslosigkeit zur Folge hat. Bei der Alzheimererkrankung, die meist erst nach dem sechzigsten Lebensjahr auftritt, sind es Eiweißablagerungen, die dazu führen.

Als Risikofaktoren gelten bei anderen Formen Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, chronisches Nierenversagen, Stoffwechselstörungen, übermäßiger Alkoholkonsum, aber auch ein lange zurückliegender Schlaganfall usw. Der größte Risikofaktor aber ist nach wie vor bei allen Demenzerkrankungen das Alter. So liegt nach einer Statistik der Alzheimer Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken, was mitunter auch schon in sehr frühen Jahren möglich ist, bei 65- bis 74-Jährigen bei 1,7%, bei 75- bis 84-Jährigen schon bei 11% und bei über 84-Jährigen bei 30%. Noch sind freilich viele Auslöser, zu denen vor allem bei der Alzheimer Krankheit genetische Faktoren zählen, unbekannt. Eine Therapie, die allerdings das Fortschreiten der Krankheit nur verzögern kann, ist bei einigen Formen von Demenz möglich, eine Heilung bisher ausgeschlossen. Ein normales Alltagsleben kann der Erkrankte in einem fortgeschrittenen Stadium unter diesen Umständen nicht mehr führen. Er ist auf die ständige Betreuung von Mitmenschen angewiesen. Sie wiederum benötigen bei ihrer nicht leichten Aufgabe, die oft ihre ganze Zeit und Kraft in Anspruch nimmt, Rat und Hilfe.

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Der Vorstand: Helga Inderwies, Monika Tück, Martina Bürkner, Monika Siebler, Annemarie Birkner, Heiner Barth, Gilla Hofmeir und Albertine Bauer (v.l.)

Deshalb gehört die „Edukationsschulung“ grundsätzlich zu den besonders wichtigen Aktivitäten der „Alzheimer Gesellschaft Pfaffenhofen / Ilm e. V. Selbsthilfe Demenz“, die seit geraumer Zeit im neuen BRK-Haus in Pfaffenhofen, Michael-Weingartner-Str. 9, ein Zuhause gefunden hat. Sie vermittelt den Angehörigen das nötige Wissen über die Krankheit, hilft ihnen, den Pflegebedürftigen besser zu verstehen und mit ihm zusammen, soweit es noch möglich ist, wichtige und vor allem richtige therapeutische Maßnahmen zu ergreifen. Das primäre Ziel besteht darin, die außerordentlich starke Belastung, die gerade die häusliche Betreuung mit sich bringt, erheblich zu mindern.

Die nächste Schulung beginnt am 25.01.2016 und umfasst elf zweistündige Kursabende. An jedem Donnerstag finden zudem von 10 bis 12 Uhr (aber auch nach zeitlicher Vereinbarung) allgemeine Beratungsgespräche über die Krankheit selbst und alle mit ihr zusammenhängenden Fragen und Probleme wie Symptome, Entlastungsmöglichkeiten, Leistungen der Pflegekassen, Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung usw. usw. statt. An jedem vierten Montag im Monat können Angehörige von Betroffenen in einem offenen Gesprächskreis ihre Erfahrungen austauschen. Ein „Café am Samstag“ bietet Demenzkranken zusammen mit ihren Angehörigen bzw. Begleitern bei einem unterhaltsamen Programm Abwechslung vom Alltag. Für 2016 stehen auch informierende Vorträge hochrangiger Referenten für die Öffentlichkeit auf dem Programm.

Der noch junge, aber sehr rührige kleine Verein wurde für sein Projekt „Aufbau eines Demenznetzes im Landkreis Pfaffenhofen“ schon sehr früh vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit 10.000,00 € gefördert. 37 Partner (darunter der Landkreis Pfaffenhofen und alle Gemeinden des Landkreises mit Ausnahme Manchings) konnten zwischenzeitlich gewonnen werden. Eine Homepage „Demenz-Netz-PAF“ wurde von der 1. Vorsitzenden Helga Inderwies eingerichtet und wird ständig unter ihrer Anleitung von einer Bürokraft betreut. Sie informiert Demenzpatienten und ihre Angehörigen darüber, wo sie am schnellsten für ihre Anliegen Rat und Hilfe erhalten können. Ein Flyer, der bei sämtlichen Mitgliedern (siehe Homepage!) aufliegt, gibt zudem darüber Auskunft.

Demenz als wachsendes Problem für die Gesellschaft
In Zusammenarbeit mit dem hiesigen CineradoPlex tritt die Alzheimer Gesellschaft Pfaffenhofen anlässlich des Welt-Alzheimertags, der jährlich am 21. September stattfindet, mit einer Filmaufführung an die Öffentlichkeit, um auf die vielfältigen Probleme und Aktivitäten zu verweisen, die diese noch nicht heilbare Krankheit erfordert, und zudem darauf aufmerksam zu machen, welche sozialen Folgen mit ihr bei einem immer höheren Lebensalter, das der Mensch erreicht, in Zukunft verbunden sein können.

2015 wurde die von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat „Wertvoll“ ausgezeichnete Filmkomödie „Honig im Hirn“ von Til Schweiger (Emma Schweiger und Dieter Hallervorden in den Hauptrollen) einem ansehnlichen Publikum gezeigt und hernach sehr eingehend diskutiert. Auch wenn in den Medien verschiedentlich kritisiert worden war, dass das Drehbuch die Härten der Krankheit nicht veranschaulicht habe und statt der auch sehr oft damit einhergehenden Aggressivität nahezu nur ihre liebenswert rührende Seite betone und deshalb realitätsfern sei, so wurde doch auf diesem Weg dem Betrachter sehr eindringlich vermittelt, wie wichtig es ist, Demenz als ein für die Gesellschaft wachsendes Problem zu begreifen und vor allem die von ihr Betroffenen nicht auf ein Abstellgleis des Lebens zu schieben, um sie dort zu vergessen.