Das kulturelle Highlight 2013 in Pfaffenhofen / Schyren-Gymnasium führt das internationale Musical „Gisela & Stephan“ auf

von Hellmuth Inderwies

Auch wenn die sprachlichen und die mathematisch-technischen Ausbildungsrichtungen den Schultypus des Schyren-Gymnasiums in Pfaffenhofen bestimmen, so besitzt seit seiner Gründung im Jahre 1964 zudem der musisch-künstlerische Bereich eine herausragende Wertstellung. Er hat das Profil dieser Schule entscheidend mitgeformt. Über das unterrichtliche Angebot der hierfür prädestinierten Fächer Musik, Kunst und Deutsch hinaus konnten die Schüler schon in den Gründer- und Aufbaujahren freiwillig an Instrumental- und Werkunterricht, an Chor und Musizierstunden sowie an Theater- und Figurenspiel und etwas später an Dichterlesungen u. a. teilnehmen. Und nicht wenige taten es mit großer Begeisterung und fanden auf diesem Weg ihre berufliche Zukunft. Denn am Schyren-Gymnasium galt von Anfang an der Grundsatz, nie nur als eine Institution der Wissensvermittlung zu wirken, sondern gleichermaßen als eine Stätte kulturellen Lebens, in das stets die Öffentlichkeit einbezogen wurde.

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Klangvolle Ouvertüre zum Schul-Jubiläum
Dieses Selbstverständnis kommt auch durch die Uraufführung des internationalen Musicals „Nuptiae Schirenses – Gisela und Stephan“ im September (26., 27. und 29.) zum Ausdruck. Als klangvolle Ouvertüre zu den 2014 stattfindenden Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Schule wird es unter der Gesamtleitung von Dr. Stefan Daubner über die Bühne gehen. Die Musik hat der Fachbetreuer (2. und 3. Akt) zusammen mit dem ungarischen Komponisten Dénes Harmath (1. Akt) geschaffen, zudem assistierte er seiner Kollegin Claudia Fabrizek bei der Abfassung des Textbuchs. Mit Falco Blome, ehemaliger Abiturient des Schyren-Gymnasiums, hat man einen erfahrenen Berater für die Inszenierung gewinnen können. Anfangs Oktober (02. und 04.) werden weitere Aufführungen in Budapest im Nationalen Tanztheater und im Erzsébetligety-Theater stattfinden, da es sich um eine Koproduktion mit der dort beheimateten Zoltán-Kodály-Chorschule, einem Elite-Musikgymnasium, handelt, an dem zusammen mit den beteiligten ungarischen Schülern wichtige Proben durchgeführt wurden. Bei einigen Partien, die in der jeweils anderen Sprache gestaltet sind, wird mit Untertiteln gearbeitet.

Den Anstoß, die Hochzeit von Gisela, der Tochter des bayerischen Herzogs Heinrich des Zänkers und Schwester des deutschen Kaisers Heinrich II. (1002 – 1024) mit dem ungarischen Fürstensohn Stephan (István) als Musical zu präsentieren, erhielt Stefan Daubner, der auch ein besonderes Interesse für die Geschichte und Kultur der osteuropäischen Länder besitzt, bereits im Jahre 2003, als er als Lehrer nach Pfaffenhofen kam und die Benediktiner-Abtei Scheyern besuchte. Zu seinem außerordentlich aufwändigen Projekt, dem er sich mit unnachahmlichem Engagement widmet, motivierte ihn eine Darstellung aus dem Bilderzyklus „Scheyerer Fürsten“ (entstanden um 1623) in der Grabkapelle (Fürstenkapelle) der Wittelsbacher. Sie zeigt das Paar zusammen mit Bischof Adalbert von Prag auf dem Weg nach Scheyern.

Der Bildtext („Hymenaeos facit“) weist auf den Zweck dieser Reise hin, nämlich auf die Hochzeit der beiden um 995/6, bei der die Braut zehn oder elf und der Bräutigam etwa 25 Jahre alt waren. Stephan wird als König betitelt, obwohl er erst einige Jahre später (1000/1) gekrönt wurde. Auf Grund solch unsicherer bzw. fal-scher Daten ist es fraglich, ob sie in der Kapelle der Schyren-Burg getraut wurden. Der ungarische Historiker Konrad Szántó gibt Regensburg, der damaligen bayerischen Herzogstadt, den Vorzug und vermutet, dass man in Scheyern die Verlobung feierte. Gleichwie! Zwischen den Stammvätern des Wittelsbacher Geschlechts und Ungarn bestanden bereits seit Beginn des 10. Jahrhunderts trotz vieler kriegerischer Einfälle des magyarischen Reitervolks in das ostfränkisch-deutsche Reich enge Beziehungen. „Ungarische Fürs-tentöchter wurden in Scheyern getauft und getraut, während Angehörige des Schyrenhauses in den politischen Stürmen jener Zeit wiederholt zu den Ungarn flüchteten und ihnen Dienste erwiesen …“, schreibt P. Anselm Reichhold OSB in seiner „Chronik von Scheyern“. Außerdem schafft historische Realität allein noch kein Kunstwerk, zu dessen Wesen ein besonderes Anliegen und eine Intention gehören.

Die historische Bedeutung jener Hochzeit reicht weit über diese begrenzten Kontakte hinaus (s. u. a. Egon Boshof, Gisela – eine bayerische Prinzessin auf dem ungarischen Königsthron. Passauer Jb. 52, 2010!). Es handelt sich um die Zeit der Staatsbildung Ungarns, dessen politischer und kultureller Orientierung am abendländischen Westen und um den Anfang der Christianisierung des kriegerischen Nomadenvolks, das erst nach seiner Niederlage auf dem Lechfeld (955) allmählich sesshaft wurde. Dass die bayerische Prinzessin daran wesentlichen Anteil hatte, steht außer Frage. Tatkräftig unterstützte sie ihren Gatten bei der Konsolidierung des Reiches, der Gründung von Bistümern, der Gesetzgebung, der Fürsorge für Arme und Kranke und nicht zuletzt auch bei der blutigen Niederschlagung von Aufständen einzelner Stammesfürsten mit Hilfe bayerischer Ritter und der Entstehung eines signifikanten nationalen Bewusstseins.

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Stephan, ein Sohn des Arpadenfürsten Géza, war vermutlich von einer christlichen Missionsschwester erzogen worden. Zudem war seine Mutter Sarolta Christin. Er hatte bei seiner Taufe, der Voraussetzung für die von seinem Vater in die Wege geleitete Heirat, an Stelle seines ursprünglichen Namens „Vajk“ den des christlichen Märtyrers erhalten. 1083 wurde er heiliggesprochen, während Gisela im Bistum Passau als Selige verehrt wird. Sie, die als Brückenbauerin zwischen Bayern und Ungarn gilt, war nach dem Tod ihres Mannes (1038) als Gefangene der Willkür politischer Gegner ausgesetzt und verbrachte nach ihrer Befreiung (1046) durch den deutschen Kaiser Heinrich III. den Rest ihres Lebens im Kloster Niedernburg, wo sie als Äbtissin am 3. Mai 1070 starb.

In einer Zeit mangelnden geschichtlichen Bewusstseins und gleichzeitiger, sehr schwieriger Bemühungen um die Integration Europas fällt bei einer Überbetonung ökonomischer und materieller Werte vor allem auch der Kunst die Aufgabe zu, an die gemeinsame wechselvolle Vergangenheit der Völker des alten Kontinents zu erinnern. Wie ein Fanal steht das Wort Jean Monnets über der gegenwärtigen Situation: „Wenn ich das Ganze der europäischen Einigung noch einmal zu machen hätte, würde ich nicht bei der Wirtschaft anfangen, sondern bei der Kultur.“

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Ansehnliche Ressourcen für niveauvolle Kulturarbeit
Allein deswegen hat die Aufführung des Musicals „Gisela & Stephan“ durch insgesamt 170 Lehrer und Schüler von Bildungseinrichtungen verschiedener Nationen der EU einen besonderen Stellenwert. Die historische Heirat zweier junger Menschen aus gegensätzlichen Kulturen, die mit ihrer Verbindung Wandel und Perspektive schufen, besitzt für die Gegenwart beispielhafte Aktualität und kann vielleicht dazu beitragen, die Geringschätzung der Vergangenheit und den prinzipienlosen Opportunismus, mit dem man Zukunft gestalten will, ein wenig zu dämpfen. Europa muss sich auf seine historischen Wurzeln und seine kulturellen Werte besinnen, will es zusammenwachsen. Die gemeinsame, mehr als ein Jahr andauernde und mit erheblichen Opfern verbundene Probenarbeit, die den an dem Projekt Beteiligten einen Großteil ihrer Freizeit kostet, schlägt jene Brücken, die über einen „Finanzmarkt“ wohl nicht entstehen können. Und zudem liefert das Schyren-Gymnasium einmal wieder den schlagenden Beweis dafür, dass es in Pfaffenhofen und der engeren Region ansehnliche Ressourcen für eine niveauvolle Kulturarbeit gibt, die auch überregionalen Charakter besitzt, ohne dass man allzu oft zweit- und drittrangige „Protagonisten“ für teueres Geld aus den sogenannten Mega-Kulturzentren hierher holen muss, nur, um nicht in den Verdacht zu geraten, dass man im eigenen lokalen „Kultursaft“ schmort.

Ausführliche Beschreibung des Projekts und Kartenbestellung:
www.gisela-musical.eu/index1.php