Das bayerische Wirtshaus kämpft um seine Existenz Beim Stegerbräu will man mit Tradition und Innovation neues Leben schaffen

von Hellmuth Inderwies

Dass das seit einigen Jahren in den Bundesländern anhaltende Dahinsiechen der Wirtshäuser gerade Bayern am schwersten getroffen hat, muss schon ein wenig verwundern. Gehört doch diese Institution in weißblauen Gefilden zu den traditionellen Kulturgütern und wird weitgehend noch als Ausdruck charakteristischer stammesspezifischer Lebensform gesehen. Dem „gschdandnen“ Altbayern muss es schon gewaltig „stinken“, dass die Nachbarn Hessen und Baden-Württemberg heute auf eine wesentlich höhere Dichte an Wirtshäusern verweisen können als der Freistaat, in dem bereits jede siebte Kommune kein derartiges Domizil mehr besitzt, und Kneipen schon in jeder dritten Gemeinde ausgestorben sind. Auch die lebenswerteste Stadt der Welt, Pfaffenhofen, bleibt ganz offensichtlich von diesem Sterben nicht verschont.

Nach Dr. Hans Perlinger, Rechtsanwalt und Heimatpfleger des Ldkr. Neuburg-Schrobenhausen, handelt es sich beim „Wirtshaus“ um einen reinen „Bewirtungsbetrieb“ im Unterschied zum „Gasthaus“, das nach § 701 BGB zudem gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnimmt, so dass konsequenterweise auch bei den Betreibern zwischen „Wirt“ und „Gastwirt“ unterschieden werden müsste. Vom Aussterben bedroht sind vor allem jene Lokale, die lediglich als Schank- oder/und Speisewirtschaften geführt werden, zumal hier eine wesentlich schmalere wirtschaftliche Basis vorhanden ist. Kleinere Gemeinden und Städte trifft diese Entwicklung weit mehr als Großzentren.

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Die Wirtsleute Günther und Carla

Verändertes Konsumverhalten und Wandel der Beziehungen
Die Gründe hierfür sind vielfältig: Erheblichen Anteil am Wirtshaussterben hat hierzulande gewiss das absolute Rauchverbot, das allein in Bayern auch für Nebenräume gilt und den Gast zwingt, anregende Gespräche grundsätzlich zu unterbrechen, um seiner Passion an der frischen Luft zu frönen. Aber diese gesetzliche Regelung ist wahrlich nicht die einzige Ursache. Schwerer wiegen wohl ein verändertes Konsumverhalten und der Wandel der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Gesellschaft. Da ist „fast food“ in weltweit verbreiteten Schnellrestaurants angesagt, vielfach mit Selbstbedienung. Da sind der traditionellen Wirtschaft mit den Imbissstuben und -buden, Cafebars, Bistros, Lounges, Event-Catering oder seit einiger Zeit auch Möbel-hausgastronomie usw. Konkurrenten erwachsen, die vor allem bei der jüngeren Generation großen Anklang finden. Sie ist es, die zudem heute das unmittelbare direkte Gespräch, bei dem man dem anwesenden Partner ins Gesicht schaut, vielfach durch eine technische Kommunikation per Smart- und I-Phon und Short Message Service (SMS) im Facebook Slang ersetzt und im Übrigen in Gefahr ist, das Gerät zum „Gesprächspartner“ zu machen. Auf diese Art und Weise verkümmern Sprachkompetenz und Gemeinschaftsgefühl. Bei solchem Abschied von herkömmlicher natürlicher Gesprächskultur betrachtet man die alte Stammtischdiskussion im Wirtshaus als „kommunikativen Ladenhüter“, auch wenn sie, mag sie noch so flach sein, an den Einzelnen höhere geistige und soziale Ansprüche stellt als der vielfach überschätzte programmierte mikroelektronische Taschenroboter, der nur vorgegebene Antworten auszuspucken vermag.

Noch besitzt Pfaffenhofen einige wenige Wirtshäuser bayerischer Prägung, zu denen ohne Zweifel der „Stegerbräu“ mit seinem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Gebäude zu zählen ist. Seit Günther Eichner dieses historische Gasthaus, einst mit Brauerei und Beherbergung, als Pächter übernommen hat, ist nach Jahren des Stillstands wieder Leben eingekehrt. Im Gegensatz zu manch anderen Wirten gilt für ihn die Maxime des „offenen Hauses“, das man ohne Scheu und ohne Aufsehen zu erregen, betreten kann und in dem jedermann willkommen ist und sich nur in besonderen Fällen nicht duzt: Das sind jene, die sich regelmäßig zum Kartenspiel treffen, jene, die Stammtischatmosphäre mit anregenden Gesprächen schätzen oder nur ganz schnell mit einem Getränk ihren Durst löschen wollen, ganz Fremde, die zufällig vorbeikommen, und auch Familien mit aufgeweckten Kindern. Da trifft man den „Querschnitt“ der Bevölkerung, die örtliche politische Prominenz und den Mechatroniker im Arbeitsoverall, der gerade sein Tagewerk beendet hat. Ein gemütliches, häufig ausgebuchtes Nebenzimmer bietet Raum für Familienfeiern und sonstige Festveranstaltungen in nicht allzu großem Rahmen. Hier tagt auch regelmäßig eine Vielzahl von Vereinen, die im Stegerbräu Heimat gefunden haben: Liedertafel, Fanclub „Ilmtal – Löwen“, Sportgremium, Energie- und Solarverein, Kleingarten- und Kaninchenzuchtverein, Mobile e.V., die „Schäffler“ u.a. Und nicht zuletzt ist die Zimmerstutzen – Schützengesellschaft Stegerbräu „die Rua-ßigen“ Pfaffenhofen hier daheim, deren moderner Schützenstand sich in einem Nebentrakt befindet. Und in der warmen Jahreszeit spielt sich das gesellige Beisammensein auch im Biergarten vor dem Haus ab, das sich in exponierter Lage in der Innenstadt befindet. Nicht allzu weit von der Kirche entfernt – was gleichermaßen bayerische Mentalität veranschaulicht!

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Soundkeller im Stegerbräu

Dies alles gehört hierzulande zu den Wesensmerkmalen eines Wirtshauses mit traditioneller Gastlichkeit und zudem natürlich eine gut bürgerliche Speisekarte mit erschwinglichen Preisen. Carla, die Küchenchefin, ist nicht nur eine Meisterin bei der Zubereitung landesüblicher Spezialitäten mit stets frischen Zutaten, sondern zudem eine Innovatorin mit ständig neuem, oft überraschendem Angebot, das vor allem auch durch „Zwergerls“ Nudelvariationen ergänzt und bereichert wird. Denn Neuerungen schaffen Neugierde und neue Gäste. Dies gilt seit kurzem auch für die Nutzung des gänzlich umgestalteten „Steger Soundkellers“, den Günther Eichner zu einer Stätte der Unterhaltungskultur machen will: Neben den bereits stattfindenden Jamsessions soll künftig ein breiteres Programm an Musikveranstaltungen über die Bühne gehen, zudem Lesungen, Kabarett und gesellige Events wie eine Halloween-Party am 26. Oktober. Auch „Neulinge“ in diesem Metier erhalten hier Auftrittsmöglichkeiten.

Voraussetzung für Wohlgefühl ist ein guter Wirt
Nur im Einklang eines qualitativ anspruchsvollen traditionellen Angebots und attraktiver Innovationen, mit denen vorweg die Jugend zu gewinnen ist, werden die geschichtsträchtigen bayerischen Wirtshäuser eine Zukunft haben und damit als traditionelles Kulturgut weiterleben. Dazu sind wechselnde Unterhaltungsprogramme, feste Events und, seitdem Bier an Vielfalt erheblich hinzugewonnen hat und in der gehobenen Gastronomie nicht mehr verpönt ist, manchmal vielleicht sogar ein Sommelier gefragt, der für eine fachgerechte Beratung zuständig ist. Es bedarf aber auch der Unterstützung der lokalen Kulturpolitik, die im Rahmen ihrer Kulturangebote gerade in Pfaffenhofen etwas „wirtschaftlicher“ ausgerichtet sein könnte und eben nicht nur eine kostenintensive „Fabrikhallen- und Bahnhofskultur“ betreiben muss, sondern über die indirekten Einnahmen aus eben dieser „Wirtschaftskultur“ wenigstens einen kleinen Beitrag zur Deckung ihrer hohen Ausgaben aus dem städtischen Haushalt leisten könnte. Am notwendigsten aber scheint in der Gegenwart das zu sein, was von jeher beim Besuch eines echten bayerischen Wirtshauses eine zentrale Rolle spielte: Ein guter Wirt ist Voraussetzung für das Wohlgefühl und das Gemeinschaftserlebnis seiner Gäste.